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#251 Umgang mit Zweifeln

May 06, 2015
Q

Sehr geehrter Prof. Craig,

was ist Ihr bester Rat, um “Was-wäre-Wenn”-Zweifel zu überwinden? Dies ist für mich der größte Kampf. Ich treffe auf ein überzeugendes Argument und frage dann: “Aber was wäre, wenn ...?” So fange ich immer wieder von vorne an. Ich weiß, dass dies zum Teil auf meine Angst zurückgeht, mich dem christlichen Glauben zu öffnen und dann damit falsch zu liegen. Es hat nichts mit Stolz zu tun; ich wäre einfach am Boden zerstört. Das habe ich schon einmal so erlebt, als mein Glaube erschüttert wurde. Niemand wird jemals zu einer Überzeugung gelangen, der beständig fragt, „aber was wäre wenn“. Das weiß ich. Doch wie kann ich das überwinden? Manchen erschiene das ganz simpel. Hör einfach auf, zu fragen “was wäre wenn”! Aber wer selbst erlebt hat, von einer Angst in den Griff genommen zu sein, weiß, dass es schwerer ist als es scheint. Was sollen also wir, die wir an dem „was wäre wenn“-Syndrom leiden, als Nächstes tun?

Amanda

  • United States

Dr. Craig

Dr. craig’s response


A [

Gelegentlich bitte ich gerne einen Gastdozenten, auf eine Frage zu antworten, mit der er sich tiefer auseinandergesetzt hat. Michael Licona sprach vor kurzem in meinem apologetischen Unterricht in der Defenders-Serie über das Thema „Zweifel“. Deshalb, Amanda, habe ich Mike gebeten, auf Ihre Frage einzugehen. Ich denke, Sie werden feststellen, dass Sie beide manches gemeinsam haben. Seine Antwort auf Ihre Frage lautet:

Ich kann ganz gewiss mit dieser Zweiflerin mitfühlen! Eine meiner Eigenheiten ist es, Dinge immer wieder infrage zu stellen. Ich scheine so ziemlich alles infrage zu stellen. Ich möchte keine schlechte Entscheidung treffen – selbst in einigen ganz unbedeutenden Angelegenheiten. So ist es dann verständlich, dass ich oft Zweifel habe, wenn es um Entscheidungen in bedeutenden Angelegenheiten geht. Das geschieht nicht vorsätzlich, sondern ist für mich absolut frustrierend. Doch so bin ich nun mal gepolt.

Daher habe ich meinen christlichen Glauben viele Male angezweifelt – manchmal bis zu dem Punkt, dass ich mich fast davon abgewandt hätte. Ich habe mich selbst gefragt: „Wurde ich einer Gehirnwäsche unterzogen? Bin ich unfähig, objektiv zu denken, weil ich im Glauben erzogen wurde? Was ist, wenn ich falsch liege?“ Ich habe den Frieden, von dem Paulus sagt, er sei das Zeugnis des Heiligen Geistes in uns, dass ich zu Christus gehöre (Röm 8,16). Doch Mormonen – wie auch Anhänger anderer Religionen– behaupten ebenfalls, dass sie von Gott die Bestätigung durch einen Frieden haben. Natürlich können wir nicht alle recht haben, da viele Religionen sich gegenseitig widersprechen. Wie kann ich also wissen, ob mein Friede wirklich von Gott ist? Das ist eine schwierige Frage. Und um ehrlich zu sein, ich weiß bis heute immer noch keine Antwort darauf.

Ich bin dankbar dafür, dass ich in den 1980er Jahren, als meine Zweifel anfingen, auf einen Philosophieprofessor traf, der mich verstand, weil er selbst genauso mit Zweifeln gekämpft hatte. Ich hatte keine Vorlesung bei Gary Habermas an der Liberty Universität, da er selbst an der philosophischen Fakultät unterrichtete, während ich meine Promotion dort im Bereich Neues Testament schrieb. Aber Habermas half mir enorm, Zweifel zu verstehen und ihnen zu begegnen. Was ich im Folgenden schreibe, ist eine Mischung von Habermas‘ Gedanken und meinen eigenen. Für alle von Ihnen, die mit Zweifeln kämpfen, habe ich eine gute Nachricht. Sie können Zweifel überwinden, indem Sie vier wichtige Maßnahmen ergreifen:

Maßnahme Nr. 1: Erkennen Sie, dass Zweifel normal sind. Abraham begegnete Gott, der ihm mitteilte, dass er einen Sohn haben werde, aus dem eine mächtige Nation erwachsen soll. Doch als Abrahams Leben in Gefahr war, log er, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Dabei wusste er, dass Gott sein Versprechen, ihm einen Sohn zu schenken, noch nicht erfüllt hatte (1. Mose 12). Man sollte meinen, dass er Gott vertraut hätte, ihn zu retten. Stattdessen log er, und Gott musste letztlich eingreifen, um Abraham seine Frau Sarah zurückzugeben, die ihm infolge seiner Lüge genommen worden war. Acht Kapitel später steht Abraham nochmals vor genau dergleichen Situation. Doch dieses Mal wusste er, dass er auf Gottes Schutz vertrauen kann und nicht selbst die Dinge in die Hand nehmen und lügen muss …- Tja, …doch leider lief es nicht so! Abraham zweifelte wiederum an Gottes Verheißung und wiederholte seinen Fehler. Er belog den König, der, wie der Pharao zuvor, Sarah in seinen Harem nahm – und wiederum musste Gott eingreifen (1. Mose 20). Dennoch reifte Abraham weiter zu einem Mann mit großem Glauben heran und wird in Hebräer 11 unter den Glaubenshelden aufgeführt. Und wenn es in jener Ruhmeshalle einen größten Helden gibt, dann ist es Abraham.

Johannes der Täufer war ein Cousin von Jesus. Die Geburt beider hatte sich unter wundersamen Umständen ereignet. Johannes taufte Jesus, sah, wie der Heilige Geist auf ihn herabstieg und hörte eine himmlische Stimme, die Jesu Stellung bestätigte. Später wurde Johannes ins Gefängnis geworfen. Irgendwann während dieser Zeit sandte er einige seiner Jünger zu Jesus, um ihn zu fragen, ob er denn wirklich der Messias sei oder ob sie auf jemand andern warten sollten. Oha! Wie konnte Johannes so etwas fragen, da er doch die Geschichten seiner eigenen wundersamen Geburt und der von Jesus kannte und selbst Zeuge der göttlichen Zeichen geworden war, als er Jesus taufte? Johannes fühlte sich im Gefängnis verlassen, und dies bewirkte in ihm emotionale Zweifel. Er kannte die Beweise. Doch sein Leben verlief nicht so, wie erwartet. Im Moment war es sogar eher ziemlich unangenehm. Jesus wusste darum. Er gebot Johannes‘ Jüngern, zu Johannes zurückzukehren und ihm von den Wundern zu berichten, die sie bei Ihm gesehen hatten, Wunder, die von dem Messias erwartet wurden (siehe die Schriftrollen vom Toten Meer 4Q521; vgl. auch Jes 61,1-2; Luk 4,16-21). Nachdem die Jünger gegangen waren, wandte sich Jesus an die Menge. Alle Augen schauten auf Ihn. Was würde Jesus zu denen sagen, die gerade erfahren hatten, dass sein Wegbereiter jetzt unter Zweifeln litt?

Was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige. Oder, was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch: er ist mehr als ein Prophet. Dieser ist’s, von dem geschrieben steht (Mal 3,1): „Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll“. Wahrlich, ich sage euch: Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer. (Matth 11,7-11; vgl. Luk 7,24-28).

Beachten Sie, dass Jesus Johannes nicht für seine Zweifel tadelte. Stattdessen lieferte er ihm Beweise, ermutigte ihn und sprach ihm Anerkennung aus, indem er sagte, dass es keinen Größeren als ihn gäbe, obwohl er sich voll bewusst war, dass Johannes mit Zweifeln kämpfte.

Wenn Abraham und Johannes der Täufer durch Zweifel gehen konnten und sich dennoch Gottes Wohlgefallens erfreuten, dann scheint es doch so, dass Gott unsere emotionale Verfasstheit versteht und geduldig mit uns ist. Viele Christen erleben nie Zweifel. Jedoch ist es für diejenigen von uns, bei denen es anders ist, tröstlich zu wissen, dass wir uns in guter Gesellschaft mit Menschen wie Abraham und Johannes dem Täufer befinden. In Gottes Reich bilden Zweifler keine Bürger zweiter Klasse!

„Mann! Das mag vielleicht denjenigen helfen, die Gottes Stimme hörten und die Wunder Jesu sahen. Aber mir hilft das nicht sehr viel, da ich seine Wunder nicht gesehen habe.“ - Ich verstehe. Doch bisher habe ich nur von der ersten Maßnahme, Zweifeln zu begegnen, gesprochen, nämlich: Erkennen Sie, dass Zweifel normal sind!

Maßnahme Nr.2: Erkennen Sie, dass es gute Beweise gibt, welche die Wahrheit des christlichen Glaubens unterstützen. Auch wenn wir uns nicht per Zeitmaschine in die Zeit Jesu zurück versetzen und Zeugen seiner Wunder werden können, haben wir doch sehr starke historische Beweise, dass das größte seiner Wunder tatsächlich stattfand: Seine Auferstehung. Gary Habermas kennt sich mit diesem Thema besser aus als jeder andere. Man könnte sagen: „Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der mehr Wissen über die Beweise für die Auferstehung Jesu hat als Gary Habermas“.

Wenn also Jesus von den Toten auferstanden ist, dann ist der christliche Glaube gewiss wahr. „Aber“, denken Sie vielleicht, „Seine Auferstehung wird in der Bibel bezeugt. Wie kann ich wissen, dass die Bibel wahr ist? Muss ich das einfach im Glauben annehmen?“ Während jener ersten Begegnung mit Professor Habermas gab er mir einen kurzen Überblick über die historischen Beweise für die Auferstehung Jesu. Für mich war es tröstlich zu wissen, dass es tatsächlich Beweise gab. Aber, zugegeben, die Beweisführung war nicht hieb- und stichfest. Sie gab mir keine 100%ige Sicherheit. Doch dies beunruhigte Habermas nicht. Auch die Wissenschaft kann nicht ein solches Maß an Sicherheit vermitteln. Wissenschaftliche und historische Untersuchungen können uns nur bis zu einem gewissen Punkt führen. Wir müssen nach der besten Erklärung der zur Verfügung stehenden Daten suchen und uns mit einer weitgehenden oder angemessenen Sicherheit zufriedengeben, wie wir es bei anderen größeren Lebensentscheidungen auch tun. Der Rest ist Glaube – und dies trifft auf jede andere Weltanschauung, sei sie christlich, jüdisch, moslemisch, hinduistisch, buddhistisch oder atheistisch, in gleicher Weise zu. Doch die Stärke der Beweise für die Auferstehung Jesu ist im Vergleich zu Bestätigungen für irgendeine andere Weltanschauung beispiellos.

Maßnahme Nr. 3: Erkennen Sie, dass absolute Gewissheit eine unangemessene Erwartung ist. Einige leben im Glauben, ohne jemals zu zweifeln. Das ist wunderbar. Aber andere von uns sind so gepolt, dass wir dazu nicht fähig sind. Vor einigen Jahren hatte ich einen dieser „Aha-Momente“, der mein Leben veränderte. Ich erkannte, dass mein Glaube nur einer von vielen Bereichen ist, in dem ich immer wieder zweifle. Ich zweifle an vielen Entscheidungen noch laaange, nachdem ich sie getroffen habe. Das ist eine persönliche Eigenart, die mir seit meiner Kindheit anhängt, und ich hasse sie. Ich spreche hier nicht nur über wichtige Entscheidungen, wie z. B., wen ich heiratete. Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich auch unwichtige Entscheidungen überdenke, wieder überdenke und nochmals überdenke, so z. B. Einkäufe, die ich getätigt habe: eine Uhr, ein Auto, eine Flasche Eau de Cologne. Allein diese Erkenntnis war für mich schon ausgesprochen hilfreich, um zu verstehen, weshalb ich zweifle: So bin ich einfach gepolt. Für mich ist absolute Gewissheit eine unangemessene Erwartung. So lerne ich, zufrieden mit einer weitgehenden Gewissheit zu leben.

Maßnahme Nr. 4: Erkennen Sie, dass Glaube mehr ist als ein Gefühl oder die Abwesenheit von Zweifeln. Er ist eine Entscheidung. Ein Mann kam einmal zu Jesus und bat ihn, seinen Sohn zu heilen, der von Dämonen besessen war. Er glaubte (schließlich war er ja zu Jesus gekommen, um ihn um Hilfe zu bitten), aber er bat Jesus, seinem Unglauben zu helfen (Mk 9,24). Er vertraute auf Jesus, seinen Sohn zu heilen. Petrus wandelte auf dem Wasser und begann zu sinken, als er vor den Wellen Angst bekam und zweifelte (Matth 14,28-31). Und doch war es Petrus, der als Erster aus dem Boot kletterte, während die anderen von drinnen aus zuschauten. Für den Nachfolger Jesu bedeutet Glaube, dass ich mich alleine Jesus für meine Rettung anvertraue. Ich versuche nicht, auf Nummer Sicher zu gehen, indem ich gleichzeitig auch ein Moslem und ein Hindu bin. Ein Nachfolger Jesu zu sein heißt, dass ich, wenn ich vor einer moralischen Entscheidung stehe, den Weg wähle, den Jesus gelehrt hat. Ich weiß, dass ich auch einen anderen Weg nehmen könnte, wenn Christus nicht auferstanden wäre. Aber ich gehorche Jesus, weil ich Ihm glaube. Dabei mögen immer noch Zweifel bleiben. Aber der Glaube, den ich habe, gewinnt und bestimmt mein Verhalten in meinem Glaubensleben. Wie Jakobus (2,18), der Bruder Jesu, schrieb: „Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, so will ich dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken“.

Zusammengefasst hier nochmals die vier Hauptmaßnahmen, um Zweifeln zu begegnen:

  • Erkennen Sie, dass Zweifel normal sind.
  • Erkennen Sie, dass es gute Beweise gibt, welche die Wahrheit des christlichen Glaubens unterstützen.
  • Erkennen Sie, dass absolute Gewissheit eine unangemessene Erwartung ist.
  • Erkennen Sie, dass Glaube mehr ist als ein Gefühl oder die Abwesenheit von Zweifeln. Glaube ist eine Entscheidung.

Lesern, die mehr über den Umgang mit Zweifeln erfahren wollen, empfehle ich sehr das online kostenlos verfügbare Buch von Gary Habermas mit dem Titel: The Thomas Factor: Using Your Doubts to Draw Closer to God.

Für eine zusammenfassende Darstellung der historischen Argumente zur Auferstehung Jesu, siehe mein neues Buch The Resurrection of Jesus: A New Historiographical Approach.

— Michael Licona —

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/dealing-with-doubt1

(Übers.: B. Currlin)

- William Lane Craig