back
05 / 06
bird bird

#131 Gott als die Ursache des Universums

May 06, 2015
Q

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich wollte Ihnen noch einmal danken, dass Sie sich bei der ETS-Tagung letztes Jahr und vor Ihrer Debatte mit Prof. Carrier früher in diesem Jahr die Zeit genommen haben, auf meine Fragen über Ihr kalām-kosmologisches Argument einzugehen. Ich habe zwei weitere Punkte, die Ihren Beweis betreffen, und würde es schätzen, dazu Ihre Meinung zu erfahren!

In der Vergangenheit schien mir der Einwand „Was verursachte Gott?“ nie mehr als ein kleinliches „Jetzt hab‘ ich dich!“ seitens eines Nicht-Gläubigen in Reaktion auf das Kalām zu sein. Doch nach dem Lesen des folgenden Kommentars (als Antwort auf Daniel Dennett, der dieselbe Frage stellte) in Reasonable Faith (Seite 114) hatte ich ein ungutes Gefühl:

„Dennett sieht richtig, dass ein Wesen, das ewig existiert, keiner Ursache bedarf, da es nie ins Sein kommt, anders als Dinge, die einen Ursprung haben.“

Diese Feststellung ist zwar wahr, aber sie beantwortet den fraglichen Einwand nicht. Alles, was anfängt zu existieren, bedarf tatsächlich einer Ursache (Prämisse 1 des kalām-kosmologischen Arguments), aber daraus zu schließen, dass etwas, was nicht zu existieren beginnt, keine Ursache braucht, wäre der Fehlschluss der "Verneinung des Antezedens". Aus Ihrer Formulierung kann man ersehen, dass Sie dies nicht aus Prämisse 1 schließen, sondern unabhängig davon behaupten. (Sie sagen, dass ein solches Wesen gar keiner Ursache bedarf). Somit haben Sie diesen Fehlschluss nicht begangen, aber wenn keine weitere Begründung folgt, könnte dies wie eine unbegründete ad hoc Annahme aussehen.

An anderer Stelle nennen Sie das Beispiel einer ewig auf einem Bett liegenden Bowling-Kugel als Ursache einer Delle in dem Bett. Die Delle beginnt also nicht zu existieren, hat aber dennoch eine Ursache, die ihr logisch vorgeordnet ist. Warum ist es nicht in derselben Weise möglich, dass der Verstand, der dieses Universum erschuf, selbst eine ihr logisch vorgeordnete Ursache hat?

Der einzige Weg, um diesem Problem zu entgehen, wäre zu demonstrieren, dass der Verstand, der das Universum geschaffen hat, selbst notwendig ist; andernfalls öffnen Sie der Möglichkeit die Tür, dass der Schöpfer kontingent ist, dass der Polytheismus wahr sein könnte und dass der christliche Gott vielleicht nicht existieren könnte, selbst wenn das Kalām-kosmologische Argumentgilt. Die vier Argumente, die bei Ihrer Argumentation für die Existenz Gottes normalerweise folgen, beruhen somit auf der Annahme, dass das Kalām- Argumentnotwendigerweise greift, sodass die Berufung auf diese weiteren Argumente, um die Notwendigkeit des von Ihnen mit dem Kalām-Argumentpostulierten Schöpfers zu etablieren, eine petitio principii wäre, also der Fehlschluss, etwas vorauszusetzen, was erst noch bewiesen werden muss!

Außerdem würde die Berufung auf das modale ontologische Argument höchstens etablieren, dass die Zahl der logisch früheren Ursachen für den Schöpfer des Universums endlich ist, sofern Sie nicht begründen können, dass das notwendige Wesen, das angeblich durch das modale ontologische Argument bewiesen wird, selbst die direkte Ursache des Universums sein muss. Aber ein Wesen, welches die Ursache des Schöpfers des Universums wäre – wenn es so ein Wesen das überhaupt möglich wäre! – wäre doch größer als ein Wesen, das "nur" Schöpfer des Universums ist. Die Einbeziehung des modalen ontologischen Arguments[1] bei dem Versuch, die Notwendigkeit des Schöpfers zu begründen, spricht doch eigentlich mehr für meinen Einwand, denn ein „Schöpfer des Schöpfers“ könnte ja das maximal große Wesen sein.

Was meine nächste Frage betrifft, warum kann die Ursache des Universums nicht eine nicht-persönliche Ursache innerhalb der Natur des Universums selbst sein? Formal betrachtet ist es die Raumzeit selbst, die zu existieren begann, und nicht notwendigerweise das Universum; vielleicht war das Universum vor der Raumzeit eine Singularität, deren interne Eigenschaften die Ursache (im logisch vorgeordneten Sinn) waren, dass die Raumzeit selbst zu existieren begann. Daraus konnte sich ein Universum entpacken, ähnlich wie bei einem ultimativen Zirkusauto, dem stets mehr Clowns entsteigen.

Quentin Smith postulierte 2003 bei Ihrer Debatte mit ihm eine solche Singularität, aber Ihr Einwand setzte „Singularität“ im Sinne des ersten Zustands mit „nackter Singularität“ in eins, die in der Physik tatsächlich nicht erforderlich ist und auch nicht das von Prof. Smith postulierte Argument war. Außerdem wiesen Sie auf das Problem der Kontingenz der Singularität selbst hin; beachten Sie in diesem Fall aber, dass wenn ein Verstand die Singularität im logisch früheren Sinn verursacht, die Singularität und der Verstand in jenem nicht-temporalen Zustand koexistieren, bevor die Raumzeit zu existieren beginnt, was bedeutet, dass die Ursache des Universums, wie wir es kennen, nicht der christliche Gott sein kann, da er ex nihilo erschafft!

Zuletzt könnte man behaupten, dass die von mir postulierte Singularität selbst notwendig ist; die Alternativen, dass das Universum aus nichts entsprang, und sei es durch den Willen der Allmacht, scheint so unhaltbar wie ein verheirateter Junggeselle. Eine notwendige nichträumliche, nichttemporale Singularität, die durch ihren eigenen inneren Mechanismus Raum und Zeit entfaltet, vermeidet das ex nihilo-Problem. Und wie das Modell von Quentin Smith zeigt, steht ein singularitätsinterner simultaner Zustand kausaler Angelegenheiten im Einklang mit Zeitlosigkeit und genügt, um zu verursachen, dass räumliche und temporale kausale Getrenntheit als Auswirkung dieses simultanen Erstzustands zu existieren beginnt.

Ich weiß es zu schätzen, dass Sie meinen Fragen Beachtung schenken, und freue mich, meine Nachforschungen zu dieser extrem wichtigen Frage durch Ihre wissenschaftlichen Arbeiten voranzubringen!

Mit besten Wünschen,

Darrin

  • - country not specified

Dr. Craig

Dr. craig’s response


A [

Das sind ausgezeichnete, sondierende Fragen, Darrin, und ich werde mein Bestes tun, um sie zu beantworten. Als ich The Kalam Cosmological Argument schrieb, versuchte ich, möglichst viele der theologisch signifikanten Eigenschaften der Ursache des Universums abzuleiten. Während eine überraschende Zahl traditioneller göttlicher Attribute durch eine Begriffsanalyse der Schlussfolgerung des Arguments wiedergewonnen werden konnte, war klar, dass dies bei vielen wichtigen Attributen nicht der Fall war, besonders auffällig bei den moralischen Eigenschaften der ersten Ursache, aber auch bei ihrer metaphysischen Notwendigkeit und Einzigkeit. Aber ich fand – und finde immer noch – die Zurückhaltung der Schlussfolgerung des Arguments ansprechend. Sie versucht nicht allzu viel zu beweisen, rechtfertigt aber doch den Glauben an einen persönlichen Schöpfer des Universums.

Betrachten wir also die Frage: „Was verursachte Gott?“ Sie erinnern sich, dass Dennett selbst bestätigte, dass nur Dinge, die einen temporalen Ursprung haben, eine Ursache haben. Daraus folgt, dass der Schöpfer des Universums keine Ursache hat, da er keinen temporalen Ursprung hat. Nun haben Sie Recht, dass diese Schlussfolgerung nicht ausschließlich aus den Prämissen des kalām-Arguments folgt, sondern aus Dennetts eigener zusätzlicher Annahme. Was wir ausschließlich aufgrund des kalām-Arguments sagen können, ist, dass zwar das Universum eine Ursache haben muss, aber kein Grund dargelegt wurde zu denken, dass der Schöpfer eine Ursache haben muss. Ockhams Rasiermesser, das uns auffordert, über das Notwendige hinaus keine Ursachen zu postulieren, wird daher jegliche weiteren Ursachen wegrasieren. Auf der Grundlage von Ockhams Rasiermesser sind wir nur dazu berechtigt, solche Ursachen zu postulieren, die notwendig sind, um die Wirkung zu erklären. Deshalb wäre es ungerechtfertigt, eine Pluralität von Ursachen zu postulieren. Der Ball ist also im Feld des Gegners: Er muss gute Gründe nennen zu denken, dass selbst zeitlos existierende Elemente Ursachen haben müssen – eine Annahme, die – wie Dennett erkennt – sehr unplausibel ist und von Metaphysikern weithin abgelehnt wird, deren Ontologien oft unverursachte, ewige Elemente wie abstrakte Objekte einschließen.

Nicht nur das, sondern durch den Erfolg der philosophischen Argumente gegen eine unendliche Regression wissen wir, dass es eine temporal erste Ursache geben muss, welche daher in dem Sinne unverursacht sein muss, als sie keine temporal frühere Ursache hat. Wenn sie verursacht ist, könnte sie höchstens eine Art tragende Ursache haben, was Sie eine „logisch frühere Ursache“ nennen. Doch wie gesagt ergibt sich aus dem Argument gegen ein aktual Unendliches notwendig, dass eine solche kausale Regression nicht unendlich sein kann und dass man daher zu einer absolut unverursachten ersten Ursache kommen muss. Zwar werden intermediäre Ursachen als Zwischenglieder durch das kalām-Argument nicht ausgeschlossen, aber sie zu postulieren ist nichtsdestoweniger überflüssig, und deshalb ist es einfacher zu folgern, dass die unverursachte erste Ursache, die durch das Argument bewiesen wird, die unmittelbare Ursache des Universums ist.

Ich halte es also für einen Irrtum, wenn Sie annehmen, dass es hier ein Problem gibt, dem man entgehen müsste, geschweige denn, dass ein Ausweg aus diesem Problem den Nachweis erfordert, dass die erste Ursache ein notwendiges Wesen ist. Das kalām-Argument lässt, wie ich sagte, die Frage offen, ob der Schöpfer notwendig oder in einem weitgefassten logischen Sinn kontingent ist (das heißt, ob Er in jeder möglichen Welt existiert). Außerdem ist die bloße Möglichkeit oder sogar Aktualität intermediärer Ursachen (was Sie Polytheismus nennen) nicht beunruhigend. Gott könnte Mittler (Engel?) benutzt haben, um die Welt zu erschaffen. Aber Ockhams Rasiermesser legt die Beweislast ganz auf die Schultern des Gegners, der beweisen muss, dass es solche intermediären Ursachen gibt. Und zuletzt hängen die anderen theistischen Argumente, die ich verteidige, in keiner Weise vom Erfolg des kalām-Arguments ab, geschweige denn davon, dass es die Notwendigkeit des Schöpfers demonstriert. Ganz im Gegenteil sind es diese Argumente – insbesondere das Leibnizsche kosmologische Argument, das Moral-Argument und das ontologische Argument –, die uns das geben, was das kalām-Argument allein uns nicht geben könnte, nämlich die metaphysische Notwendigkeit der letzten Erklärung. Ich bin nicht der Meinung, dass ein maximal großes Wesen der Schöpfer des Schöpfers des Universums sein muss, da Allmacht eine modale Eigenschaft ist, die das betrifft, was man fähig ist zu tun, und es gibt einfach keinen Grund zu denken, dass die Fähigkeit, einen Schöpfer des Universums zu erschaffen, auch bedeutet, dass man es tatsächlich tut. Ich denke, Sie können sehen, Darrin, dass es der Gegner des Arguments und nicht sein Verteidiger ist, der sich mit vergeblichen metaphysischen Spekulationen beschäftigt.

Was Ihre zweite Frage betrifft, „warum die Ursache des Universums nicht eine nicht-persönliche Ursache innerhalb der Natur des Universums selbst sein kann“, würde ich sagen, dass es im Gegensatz zu Ihrer Behauptung nicht nur die Raumzeit ist, die zu existieren begann, sondern die Raumzeit zusammen mit jeglichen Grenzpunkten, die sie haben mag. Wie Sie aus meiner Arbeit über die Natur der Zeit vielleicht wissen, bin ich tatsächlich ein Anti-Realist, wenn es um die Raumzeit geht. Ich denke, die Raumzeit ist nur ein heuristisches Mittel, ein geometrischer Weg, Relationen von Dingen in Raum und Zeit darzustellen. Ich lehne den Vier-Dimensionalismus ab, also die Auffassung, dass Dinge in der Zeit ausgedehnt sind, wie sie es im Raum sind, und die damit einhergehende zeitlose oder statische Zeittheorie, die die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als eine Illusion des menschlichen Bewusstseins und temporales Werden als nicht real betrachtet. Ich denke daher, dass Zeit, wenn man sich in der Physik auf sie bezieht, bestenfalls ein Maß der Zeit ist und nicht die Zeit selbst. Ich verteidige alle diese Behauptungen ausführlich in meinen Büchern The Tensed Theory of Time: A Critical Examination (2000) und The Tenseless Theory of Time: A Critical Examination (2000), die beide im Springer Verlag erschienen sind.

Angesichts meiner metaphysischen Festlegungen über die Zeit denke ich nicht, dass die anfängliche kosmologische Singularität, wenn sie überhaupt existiert, zeitlos existiert oder nie zu existieren begann. Sie existiert außerhalb der physikalischen Zeit (Zeit, wie sie in der Allgemeinen Relativitätstheorie definiert ist), weil sie ein Grenzpunkt der Raumzeit ist und nicht ein Punkt in oder von der Raumzeit. Ungeachtet dessen ist sie klar in der metaphysischen Zeit, da sie vergänglich ist – ins Sein kommend und aus dem Sein gehend. Dementsprechend bedarf ihr Ursprung einer Ursache.

Beachten Sie: Wenn Gott mit der Singularität zeitlos existiert, wie Sie vorschlagen, und die tragende Ursache der Singularität ist, entkräftet dies in keiner Weise die Lehre, dass die Schöpfung keine materielle Ursache hat. Ganz im Gegenteil ist Gott nach einer solchen Auffassung die Ursache aller materiellen Wirklichkeit, so wie Er die Ursache jeglicher abstrakter Objekte wäre, die Er zeitlos im Sein erhält. Dennoch stimme ich zu, dass es nach der biblischen Auffassung in der aktualen Welt einen Zustand der Dinge gab, der darin bestand, dass Gott allein existiert, ohne irgendwelche koexistenten, wenn auch abhängigen, zeitlosen Elemente.

Ihre Bemerkungen über die Notwendigkeit der anfänglichen Singularität schließlich lassen mich annehmen, dass Sie den Begriff der metaphysischen Notwendigkeit nicht ganz richtig verstanden haben. Denn selbst wenn die Singularität atemporal und nicht-räumlich existiert, wie Sie es sich vorstellen, zeigt dies in keiner Weise, dass sie in allen möglichen Welten existiert. Dasselbe Missverständnis scheint Ihrer früheren Annahme zugrunde zu liegen, dass das kalām-Argument danach trachtet, die Notwendigkeit der unverursachten ersten Ursache zu beweisen. Jedenfalls habe ich bereits erklärt, warum ich nicht denke, dass die anfängliche kosmologische Singularität, falls sie existiert, atemporal und nicht-räumlich existiert. Und zum Schluss, Darrin, denke ich, dass Sie allzu schnell behaupten, dass die Proposition, dass das Universum eine effiziente Ursache aber keine materielle Ursache hat, logisch unmöglich ist. Anders als beim Fall des unverheirateten Junggesellen ist das Konzept eines Universums mit einer effizienten Ursache, aber ohne eine materielle Ursache, nicht offensichtlich inkohärent. Wenn Sie einen Beweis haben, dass es so ist, kenne ich eine Reihe von Zeitschriften, die bereit wären, ihn zu veröffentlichen!

„Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr.“ (Jeremia 29,13).

(Übers.: M. Wilczek)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/god-as-the-cause-of-the-universe

Anmerkungen

[1] Zentral für das ontologische Argument ist der Begriff Gottes als eines Wesens, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. (Anm. d. Übers.)

- William Lane Craig