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#134 Fehler und Grausamkeiten der Natur

May 06, 2015
Q

In Ihrer Debatte mit Francisco Ayala über die Frage „Is Intelligent Design Viable?“ (Ist Intelligent Design ein tragfähiger Ansatz?“[1] erhob Ayala den Einwand, dass die Designfehler und grausamen Tierverhaltensweisen in der Natur mit einem allgütigen und allmächtigen Designer unvereinbar sind. Darauf antworteten Sie mit einer Unterscheidung zwischen dem wissenschaftlichen Problem und dem theologischen Problem, die durch seinen Einwand aufgeworfen werden. Sie sagten, der Einwand sei als wissenschaftlicher Einwand gegen eine Design-Schlussfolgerung in der Biologie irrelevant und als theologischer Einwand gegen Gottes Güte und Macht lösbar. Sie sagten, Sie hätten mehr zu diesem Thema zu sagen, als die Zeit erlaubte. Können Sie Ihre Antwort hier genauer ausführen?

Bill

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Dr. Craig

Dr. craig’s response


A [

Sehr gern, Bill! Um meine Bemerkungen für Leser verständlich zu machen, die nicht bei der Debatte waren, werde ich einige meiner dortigen Aussagen wiederholen, um den Kontext zu verdeutlichen.

Der wissenschaftliche Beweis (z.B. Fortpflanzung, Entwicklung einer Arzneimittelresistenz, usw.) dafür, dass die Darwin’schen Mechanismen zufälliger Mutation und natürlicher Selektion die Evolution aller Lebewesen erklären können, ist überraschend schwach, indem er erfordert, dass man aus der Erzeugung einer (beobachtbaren) begrenzten evolutionären Entwicklung außergewöhnlich weit extrapolieren muss auf eine universale evolutionäre Entwicklung. Deshalb ist es nicht überraschend, dass Ayala, um eine Design-Schlussfolgerung in der Biologie zu entkräften, rasch zu philosophischen und sogar theologischen Argumenten gegen die Tragfähigkeit des Intelligent Design Ansatzes übergeht. Doch ich denke, dass er dabei in fundamentaler Weise Wissenschaft und Theologie verwechselt.

Lassen Sie mich das erklären. Ayalas wichtigstes Argument gegen die Tragfähigkeit einer Design-Schlussfolgerung in der Biologie lautet, dass Organismen gewisse Designfehler und grausame Verhaltensweisen zeigen, die ausschließen, dass sie durch einen allmächtigen, allgütigen Gott entworfen wurden. Nun ist dies ein klassisches theologisches Problem, das als Theodizee bekannt ist. Darüber wurden ganze Bände geschrieben. Das Problem des sogenannten „natürlichen Bösen“[2] ist ein sehr wichtiges theologisches Thema, mit dem sich der christliche Theologe auseinandersetzen muss. Doch aus genau diesem Grund ist es für die wissenschaftliche Frage, ob eine Design-Schlussfolgerung in der Biologie berechtigt ist, einfach irrelevant.

Um den Grund zu verstehen, betrachten Sie zunächst das Thema der Designfehler. Während der Debatte zeigte ich das Bild eines ostdeutschen Trabanten. Es war vermutlich eines der schlechtesten Autos, die je produziert wurden. Es war voller Designfehler. (Bei einem Besuch in Ostdeutschland bin ich einmal in einem Trabbi gefahren, und als ich die Tür zuziehen wollte, kam mir fast die ganze Innenverkleidung der Tür entgegen!) Als nächstes zeigte ich das Bild eines Mercedes der E-Klasse aus dem Jahr 2009. Dann fragte ich die Anwesenden: Berechtigt uns die Tatsache, dass ein Trabant kein Mercedes ist, zu der Schlussfolgerung, dass der Trabant nicht entworfen wurde, sondern durch Zufall entstanden ist? Offensichtlich nicht! Planvoll hergestellte Gegenstände weisen unterschiedliche Stufen der Optimalität auf und es gibt keinen Grund, Design-Schlussfolgerungen auf maximal optimale Designs zu beschränken. In Wirklichkeit wäre es sehr unvernünftig, das zu tun. Wenn ein biologisches System William Dembskis Design-Kriterium erfüllt (hohe Unwahrscheinlichkeit plus Übereinstimmung mit einem unabhängigen Muster), wird diese Design-Schlussfolgerung nicht dadurch annulliert, dass es möglicherweise Strukturen gibt, die besser hätten entworfen werden können.

Kommen wir nun zu Verhaltensweisen von Tieren, die mit einem moralisch guten Designer unvereinbar zu sein scheinen. Um das Problem bei diesem Argument zu erkennen, denken Sie an eine mittelalterliche Folterbank. Würde irgendjemand die Behauptung ernstnehmen, dass ein so komplexer Mechanismus nicht das Produkt eines intelligenten Designs gewesen sein kann, weil jemand, der so etwas herstellt, keine sehr gute Person sein kann? Natürlich nicht! Die Design-Schlussfolgerung hat überhaupt nichts mit den moralischen Eigenschaften des Designers zu tun.

In der Summe lässt sich aus der Design-Schlussfolgerung nicht ableiten, dass der Designer der Natur allgütig oder allmächtig ist. Deshalb scheitert Ayalas auf den Fehlern und Grausamkeiten der Natur basierendes Argument als wissenschaftlicher Einwand gegen eine Design-Schlussfolgerung auf dem Gebiet der Biologie. Die Design-Schlussfolgerung sagt nichts darüber aus, ob der Designer allgütig oder allmächtig ist. Kurz vor der Debatte sprach ich mit dem Wissenschaftsphilosophen John Bloom, der ein Verfechter des ID ist, über Ayalas Kommentar, dass das Design der Natur eher mit den griechischen und römischen Göttern der Antike als mit dem Gott der Bibel vereinbar sei. John dachte einen Augenblick darüber nach und sagte dann: „Zeus genügt. Zeus genügt.“ Mit anderen Worten ist selbst die Schlussfolgerung auf Zeus eine Design-Schlussfolgerung. Damit wäre die Sache geklärt!

Kurz gesagt scheitert Ayalas Argument als wissenschaftlicher Einwand. Doch was ist mit dem Argument als theologischer Einwand? So formuliert er ihn in seinem Buch Darwin and Intelligent Design (Minneapolis: Fortress, 2006). Er schreibt: „Intelligentes Design setzt Attribute Gottes voraus, die mit dem Christentum unvereinbar sind“ (S. X im Vorwort). Hier behauptet Ayala, dass der durch die wissenschaftliche Schlussfolgerung behauptete Designer nicht der Gott der Bibel sein kann. Nun ist dies in der Tat eine wichtige theologische Behauptung, zumindest für einen Christen, obwohl ein Theist, der nicht in der jüdisch-christlichen Tradition steht, sich davon nicht beunruhigen lassen würde. Als Antwort auf diesen Einwand kann ein christlicher Theologe alle Quellen seiner Weltanschauung einbringen, um zu argumentieren, dass keine Unvereinbarkeit zwischen dem biblischen Gott und dem Design in der Natur nachgewiesen wurde. Ein christlicher Theologe kann eine Reihe von Möglichkeiten vorschlagen, die Fehler und Grausamkeiten der Natur mit der Existenz des biblischen Gottes in Einklang zu bringen, und die Beweislast liegt bei Ayala, um zu zeigen, dass keine dieser Theodizeen funktioniert.

Nehmen wir also zum Beispiel an, dass der christliche Theologe auf diesen Einwand antwortet, dass Gott unabhängige Beweggründe haben könnte, eine Welt mit weniger als optimalen Strukturen zu entwerfen. Dr. Ayalas Entgegnung ist recht aufschlussreich. Er räumt ein, dass eine solche Antwort „theologische Gültigkeit haben könnte, aber intelligentes Design als eine naturwissenschaftliche Hypothese zunichtemacht“, weil sie die Design-Hypothese nicht-falsifizierbar macht (ibid., S. 86). Er zieht den Schluss: „Intelligentes Design als Erklärung für die Anpassung von Organismen könnte (natürliche) Theologie sein, wie Paley sagen würde, aber was immer es ist, eine naturwissenschaftliche Hypothese ist es nicht“ (ibid.).

Aber Moment mal! Zur Design-Hypothese gehörte nicht, dass der Designer allmächtig oder allgütig ist. Dem Designer diese Attribute abzusprechen bedeutet also nicht, die Design-Hypothese zu falsifizieren. Um eine Design-Schlussfolgerung in der Biologie zu entkräften, müsste man eher zeigen, dass die Kriterien, die Dembski vorschlägt, um auf Design zu schließen, nicht erfüllt sind. Erst wenn wir anfangen, über christliche Theologie zu sprechen, kommen Gottes Attribute der Allmacht und vollkommenen Güte ins Spiel. Dort besteht die Herausforderung nur darin, eine konsistente Erklärung zu geben, die – falls sie wahr ist – zeigen würde, dass der biblische Gott mit den Fehlern und Grausamkeiten der Natur nicht unvereinbar ist. Falsifizierbarkeit ist für das theologische Projekt irrelevant. Indem Ayala theologische Einwände gegen die Design-Schlussfolgerung erhebt, verwechselt er Naturwissenschaft mit Religion. Er behandelt etwas, das ein Problem für die Theologie ist, als wäre es ein Problem für die Wissenschaft, was einfach eine Verwechslung ist. Das ist seltsam, weil er lautstark bemängelt, dass Intelligent Design (ID) die Grenzen zwischen Wissenschaft und Religion verwischt.

Was bedeutet das nun für Ayalas Einwand? Als wissenschaftliches Problem ist er irrelevant. Als theologisches Problem ist er, wie Ayala einräumt, lösbar. Sein Einwand ist also entweder irrelevant oder lösbar, was einfach bedeutet, dass er kein Problem ist.

Nichtsdestoweniger möchte ich noch etwas über die theologische Herausforderung sagen, die sich aus den Fehlern und Grausamkeiten der Natur ergibt.

Nehmen wir zuerst die Frage der Designfehler in der Natur. Ein christlicher Theologe hat eine Reihe von Möglichkeiten, erfolgreich auf dieses Problem zu antworten. Er kann die Annahme in Frage stellen, ob diese vermeintlichen Fehler tatsächlich wirkliche Fehler sind. Nehmen wir zum Beispiel die Behauptung, dass die Positionierung des Sehnervs im menschlichen Auge fehlerhaft ist, weil sie zu einem kleinen blinden Fleck in unserem Gesichtsfeld führt. Könnte Gott einen guten biologischen Grund gehabt haben, das Auge so zu entwerfen? Ja, in der Tat! Wie Michael Denton erklärt, beruht der Unterschied der Positionierung des Sehnervs im menschlichen Auge im Vergleich zu den Augen von Kopffüßern (Cephalopoden) auf dem größeren Bedarf an Sauerstoff für eine hohe Sehschärfe bei warmblütigen Tieren. Denton erklärt: „Statt ein Beispiel für Fehlanpassung zu sein, ist die invertierte Retina wahrscheinlich ein wesentliches Element im Gesamtdesign des visuellen Systems von Wirbeltieren“ (Quelle: persönliche Korrespondenz mit Denton). Es stellt sich also heraus, dass dieser vermeintliche Fehler gar kein Fehler ist. Immer wieder haben wir festgestellt, dass etwas, das zunächst als Designfehler erschien, bei genauerer Kenntnis gar kein Fehler war.

Nehmen wir aber der Argumentation halber an, dass die Fehler tatsächlich real zu sein scheinen, und schlagen wir vor, dass ein bestimmtes Merkmal das Ergebnis einer natürlichen Selektion ist. Nun gut! Ein solcher Schluss wäre nur für denjenigen beunruhigend, der eine sehr enge Form des "spezifischen Kreationismus" vertritt, nach der Gott jede einzelne Spezies genau so erschuf, wie sie heute ist. Doch selbst "spezifische Kreationisten" vertreten meist keine so enge Auffassung. Sie sagen gewöhnlich, dass die von Gott erschaffenen „Arten“ in Genesis 1 zur Ebene der biologischen Ordnung oder Familie gehören und die Evolution von dort einsetzte[3]. So erschuf Gott zum Beispiel den gemeinsamen Vorläufer der Familie Ursidae oder der Familie der Bären, die sich seither zu acht verschiedenen Bärenspezies entwickelt hat. Daher ist kaum überraschend, dass der sogenannte „Panda-Daumen“, der oft als Designfehler ins Feld geführt wird, sich nur bei einer Bärenspezies – den Pandas – entwickelt hat. Und man braucht eigentlich nicht zu erwähnen, dass Theologen, die keinen spezifischen Kreationismus vertreten, sondern von der These gemeinsamer Vorfahren ausgehen, gar nicht überrascht sind, dass Organismen den Design-Abdruck ihrer Vorläufer tragen. Viele der sogenannten Fehler sind einfach Hinweise auf eine gemeinsame Abstammung. Ich denke also nicht, dass vermeintliche Designfehler überhaupt ein ernstes theologisches Problem darstellen.

Was ist nun mit Tierverhaltensweisen, die uns grausam und grotesk erscheinen? Auch dies könnte nur für solche Theologen ein Problem darstellen, die eine sehr enge Form des spezifischen Kreationismus vertreten. Aber die meisten spezifischen Kreationisten gehen von einer Evolution innerhalb der großen Arten aus, die eine Änderung von Organismen erlaubt. Zum Beispiel wird von Biologen die allgemein anerkannte Auffassung vertreten, dass pathogene – oder krankheitserregende – Bakterien einst frei lebende Organismen waren, die sich zu pathogenen Parasiten entwickelten. Die Genomsequenzierung hat gezeigt, dass es sich hier um eine Art „Devolution“ handelt, die von einem massiven Verlust von Genen gekennzeichnet ist.

Natürlich wird diese Berufung auf eine begrenzte Evolution innerhalb der großen Arten das allgemeine Problem des Leidens und der Jäger-Beute-Beziehung von Tieren nicht verringern. Aber das ist ein theologisches Problem, das auch der Auffassung von Ayala entgegensteht. Ayala scheint nicht zu erkennen, dass die Annahme einer theistischen Evolution das Problem nur um eine Stufe zurückverlagert, denn der theistische Evolutionist steht nun vor der Frage, warum ein guter und allmächtiger Gott entscheiden sollte, Leben durch einen Prozess zu erschaffen, der so von Schmerz und Tod geprägt ist wie die Evolution. Seltsamerweise scheint Ayala, als er David Hulls Aussage zitiert, dass „der in der Evolutionstheorie implizierte Gott ... achtlos, verschwenderisch, gleichgültig, nahezu diabolisch ist“, die Tatsache zu vergessen, dass Hull von Ayalas Gott spricht. Was Ayala als Darwins „Geschenk“ an die Wissenschaft und die Religion bezeichnet, sieht eher wie ein Trojanisches Pferd aus!

Christliche Theologen aller Richtungen müssen sich also der Herausforderung stellen, die sich aus dem Leid der Tiere ergibt. Hier haben neuere Studien in der Biologie überraschende neue Einsichten über dieses alte Problem gebracht. In seinem Buch Nature Red in Tooth and Claw: Theism and the Problem of Animal Suffering unterscheidet Michael Murray drei Ebenen einer aufsteigenden Schmerzhierarchie (von unten nach oben zu lesen):

Stufe 3: ein Bewusstsein zweiter Ordnung, bei dem man sich selbst erfährt

Stufe 2: eine subjektive Erfahrung von Schmerz in erster Ordnung

Stufe 1: informationstragende neurale Zustände, hervorgerufen durch Schmerzreize, die zu aversivem (abgeneigtem) Verhalten führen

Spinnen und Insekten – die Art von Geschöpfen, welche die von Ayala erwähnten Verhaltensweisen zeigen – erfahren (1). Aber es gibt überhaupt keinen Grund, solchen Geschöpfen (2) zuzuschreiben. Es ist plausibel, dass sie gar keine empfindungsfähigen Wesen mit irgendeiner Form von subjektivem Innenleben sind. Diese Art von Erfahrungen entstehen plausibel erst auf der Ebene der Wirbeltiere im Tierreich. Doch auch wenn Tiere wie Hunde, Katzen und Pferde Schmerz erfahren, deuten die Belege darauf hin, dass sie nicht die Stufe (3) erfahren – das Bewusstsein, dass sie sich in einem Schmerzzustand befinden. Denn das Bewusstsein, selbst in einem Schmerzzustand zu sein, setzt eine Selbstwahrnehmung voraus, die im präfrontalen Kortex des Gehirns angesiedelt ist – ein Bereich des Gehirns, der bei allen Tieren außer den humanoiden Primaten fehlt. Erstaunlicherweise ist es also so, dass Tiere zwar Schmerz erfahren können, sich aber nicht bewusst sind, dass sie selbst in einem Schmerzzustand sind. In seiner Barmherzigkeit hat Gott den Tieren offenbar das Schmerzbewusstsein erspart. Das ist ein enormer Trost für uns Tierbesitzer. Denn auch wenn unser Hund oder unsere Katze in einem Schmerzzustand sein mögen, sind sie sich dessen nicht wirklich bewusst, sodass sie nicht so leiden, wie wir es in einem Schmerzzustand tun würden.

Dies bedeutet auch, dass Argumente wie das von Ayala, die auf den sogenannten Grausamkeiten der Natur beruhen, dem Fehlschluss des Anthropopathismus unterliegen, der nicht-menschlichen Wesen menschliche Gefühle zuschreibt. Es ist schwierig, dies nicht zu tun. Wir Menschen haben eine eingefleischte Neigung, nicht-menschlichen Kreaturen und sogar Gegenständen personhafte Eigenschaften zuzuschreiben. Wir sprechen mit unseren Zimmerpflanzen, unseren Autos, unseren Computern. Einige Kognitionspsychologen denken sogar, dass diese Neigung tatsächlich im menschlichen Gehirn verankert ist. Sie nennen es das Hyper-active Agency Detection Device (HADD). Wir behandeln andere Dinge, selbst leblose Gegenstände, als wären sie Akteure. Richard Dawkins veranschaulicht diese Neigung zum Beispiel, indem er erzählt, wie er einmal feststellte, dass er sein Fahrrad ausschimpfte, weil es nicht richtig funktionierte. Wenn wir Tieren Handlungsfähigkeit und Schmerzbewusstsein zuschreiben, begehen wir den Fehlschluss des Anthropopathismus.

Ich denke, dies ist Ayala bewusst, denn er relativiert seine Behauptung über die Grausamkeit der Natur in gewisser Weise, indem er zum Beispiel sagt: „Das Paarungsverhalten ... bei einigen Insekten ... würde nach menschlichen Maßstäben als grausam und sogar sadistisch beurteilt werden.“ Aber genau das ist natürlich der Punkt, dass es ein Fehlschluss ist, Insektenverhalten nach menschlichen Maßstäben zu beurteilen! Gewisse Spinnen und Insekten sind einfach gefräßige Jäger, die sogar ihre eigenen Artgenossen fressen, wenn sie ihnen zu nahe kommen. Ein potentieller Paarungspartner ist für sie auch eine potentielle Mahlzeit. Ein solches Verhalten grausam oder sadistisch zu nennen ist die stärkste Form von Anthropopathismus. Die Interaktionen dieser nicht-empfindungsfähigen Organismen haben genauso wenig moralische Bedeutung wie ein Roboterarm an einem Montageband, der ein Loch in die Karosserie bohrt, um eine Schraubenverbindung anzubringen. Etwas anderes zu denken bedeutet, einem HADD-Fehlschluss zu unterliegen.

Natürlich bleibt sowohl für Ayala als auch für mich die Frage bestehen, warum Gott eine Welt erschuf, die vor dem Auftreten des Menschen einen evolutionären Auftakt hatte. Ich vermute, dass die Antwort auf diese Frage mit Gottes letzter Absicht für den Menschen zu tun hat, denn die Erschaffung eines Ökosystems, in dem autonome menschliche Akteure gedeihen können und ohne Zwang die Entscheidung treffen können, Gottes Angebot der rettenden Gnade und einer persönlichen Beziehung zu Ihm anzunehmen oder zu verwerfen. Doch zu einer Erörterung dieser theologischen Fragen müssten wir an dieser Stelle zu weit ausholen (siehe Philosophical Foundations for a Christian Worldview, S. 543ff.).

(Übers.: M. Wilczek)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/natures-flaws-and-cruelties

Anmerkungen

[1] Die Debatte fand am 05. November 2009 an der Indiana University, Bloomington/IN, USA statt.
Link zum Video der Debatte: http://www.reasonablefaith.org/media/craig-vs-ayala-indiana-university

Link zum Transcript: http://www.reasonablefaith.org/is-intelligent-design-viable-the-craig-ayala-debate

[2] Das Problem des "natürlichen Bösen" betrifft z.B. das Leid, das aus Erdbeben, Wirbelstürmen oder Dürrekatastrophen hervorgeht, also als primäre Ursache auf die Natur zurückzuführen ist, im Unterschied zum Problem des "moralischen Bösen", welches direkt auf menschliche Entscheidungen zurückgeht (z.B. Kriege, Diebstahl etc.)

(Anm. d. Übers.)

[3] Dies wäre im Einklang mit der sog. "Grundtypenlehre", die in Deutschland z.B. von Wort und Wissen vertreten wird, vgl. www.wort-und-wissen.de, vgl. auch Reinhard Junker / Siegfried Scherer (Hrsg.): Evolution. Ein kritisches Lehrbuch. Gießen 20137: Weyel. (Anm. d. Übers.)

- William Lane Craig