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bird bird

#133 Du hast mich gezwungen, dich zu lieben

May 06, 2015
Q

Kann jemand eine andere Person dazu bringen, ihn zu lieben, und sei es mit Allmacht?

Braucht man wirklich zwei, um Tango zu tanzen (oder eine Liebesbeziehung zu haben)?

Andrew

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Dr. Craig

Dr. craig’s response


A [

Ihre Frage hat mein Interesse geweckt, Andrew, denn letztes Jahr haben meine Frau Jan und ich Tanzstunden genommen, um Gesellschaftstänze zu erlernen, darunter den Tango! Ursprünglich haben wir damit angefangen, weil die Hochzeit unseres Sohnes John im vergangenen Sommer bevorstand und dabei auch getanzt werden sollte. Doch im Verlauf der Tanzstunden habe ich dann großes Gefallen an Gesellschaftstänzen gewonnen, weil es soviel Spaß macht. Zwar sind meine Bewegungen hoffnungslos unkoordiniert – und das meine ich wörtlich, da man bei einigen Tänzen, wie dem Rumba, die Bewegungen von HändenHand, Armen, Rumpf, Hüften, Beinen und Füßen koordinieren muss –, aber ich genieße die Herausforderung und bin entschlossen, diese Tänze zu erlernen.

Diese Tänze zu beherschen verlangt Übung, daher nehme ich mir Zeit, die Schritte allein einzuüben, mit einem Phantom als Tanzpartnerin. Ich dachte mir, dass ich zum Beispiel die Schritte eines Tangos auch ohne eine Partnerin erlernen kann, indem ich so tue, als wäre sie da, und die entsprechenden Bewegungen ausführe. Man braucht keine zwei Personen, um Tango zu tanzen, sagte ich mir – obwohl es mit einem Partner viel mehr mehr Spaß macht!

Allerdings habe ich festgestellt, dass diese Strategie enorme Nachteile hat. Zwar stimmt es, dass man die Tangoschritte ganz allein erlernen kann, aber das ist nur die eine Hälfte der Geschichte. Als Mann muss man auch lernen, seine Partnerin bei den aufeinanderfolgenden Schritten zu führen. Dazu muss an den körperlichen Kontaktpunkten der Arme und Hände in vielfältiger Weise ein leichter Druck ausgeübt werden. Und das kann man nun einmal nicht lernen, wenn man mit einem Phantom übt! Wenn ich dann die Gelegenheit habe, mit Jan zu tanzen, liegt meine größte Schwäche darin, dass meine Führung nicht eindeutig ist, sodass sie nicht weiß, was als nächstes kommt. Das kann so manchen wunden Zeh nach sich ziehen!

Ich habe also eingesehen, dass man tatsächlich zwei Personen braucht, um Tango zu tanzen, besonders wenn man gut Tango tanzen will.

In ähnlicher Weise erfordert eine echte Liebesbeziehung das freie Zusammenspiel von zwei Menschen. Es ist logisch unmöglich, eine andere Person dazu zu bringen, etwas freiwillig zu tun. Wenn man die andere Person dazu bringt, etwas zu tun, dann hat diese Person es nicht freiwillig getan, weil es nicht an ihr lag; wenn diese Person es aber freiwillig getan hat, dann lag es nicht an Ihnen, dass sie es tat. Wir müssen nur ergänzen, dass echte Liebe freiwillig geschenkt werden muss. (Denken Sie an die Geschichte von Pinocchio: Gepetto hätte Pinocchios Puppenmund so bewegen können, dass er sagt: „Vater, ich liebe dich“, aber Gepetto wollte einen echten Jungen, keine bloße Marionette, obwohl damit das Risiko der Rebellion verbunden war.) Eine echte Liebesbeziehung verlangt also die Freiheit beider Seiten, Liebe zu schenken und zu empfangen.

Nicht einmal Allmacht kann tun, was logisch unmöglich ist. Gott könnte gewisse chemische Reaktionen in unseren Gehirnen erzeugen, die das bewirken, was wir normalerweise als Gesten der Liebe zu Ihm beschreiben würden, aber es wäre nur Augenwischerei, eine marionettenhafte Reaktion. Um eine echte Liebesbeziehung zu uns zu haben, muss Gott die Möglichkeit der Rebellion hinnehmen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass ein Liebhaber unfähig wäre, um seine Geliebte zu werben und ihr eine freie Antwort der Liebe zu entlocken. Wer ernsthaft liebt, ist nicht passiv, sondern sucht nach Wegen, die Zuneigung der geliebten Person zu gewinnen. Vielleicht versucht er, ihre „Sprache der Liebe“ und alle ihre Vorlieben und Abneigungen zu erlernen und sich entsprechend zu verhalten. Tatsächlich wird er über die Wahrheit verschiedener konditionaler Möglichkeiten nachdenken wie: „Wenn ich x tun würde, würde sie darauf reagieren, indem sie y tut.“ Er wird versuchen, diejenigen Umstände herbeizuführen, in denen seine Geliebte ihm aus freien Stücken ihre Liebe schenkt.

Nun können wir nur fehlbare Wahrscheinlichkeitsurteile über die Wahrheit dieser konditionalen Möglichkeiten fällen. Manchmal stellen wir fest, dass wir uns katastrophal verschätzt haben und ihre Reaktion genau das Gegenteil von dem ist, was wir erwartet hatten. Aber in Gottes Fall – zumindest wenn Gott, wie ich glaube, über mittleres Wissen verfügt –, weiß Er unfehlbar, unter genau welchen Umständen eine Person aus freien Stücken auf Seine Liebesinitiative antworten oder nicht antworten wird. Gott kann Sie nicht dazu bringen, Ihn zu lieben, aber Er kann fähig sein, etwas noch Größeres zu tun, nämlich die Umstände herbeizuführen, in denen Sie aus freier Entscheidung Seine Liebe erwidern.

Die Frage, die sich nun offensichtlich stellt, lautet: Warum hat Gott in Seiner Vorsehung die Welt nicht so geordnet, dass jeder Ihn aus freien Stücken lieben würde? Das ist im Wesentlichen das Problem des (moralisch) Bösen und die soteriologische Version dieses Problems, die ich beide an anderer Stelle angesprochen habe (siehe „Das Problem des Übels[1] und „Wie kann Christus der einzige Weg zu Gott sein?[2]). Kurz gesagt lautet die Antwort, dass es vielleicht nicht in Gottes Macht liegt, eine Welt freier Personen zu erschaffen, in der jeder aus freier Entscheidung dazu kommt, Gott zu lieben, und ohne dabei überwältigende Nachteile in Kauf zu nehmen (z.B. die Unfreiheit). Es genügt nicht, dass es für jeden Einzelnen bestimmte Umstände gibt, unter denen er oder sie sich frei entscheiden würde, Gott zu lieben; diese Umstände müssen auch für alle Menschen zusammen existieren können (kompossibel sein), und das ist vielleicht einfach nicht möglich. Gott schenkt dennoch jeder Person, die Er erschafft, genügend Gnade, in eine Liebesbeziehung zu Ihm einzutreten, doch einige Menschen können unnachgiebig sein und Ihn ablehnen.

Somit sind auch in Bezug auf Gott immer noch zwei Personen nötig, um Tango zu tanzen, und wenn die eine Seite sich weigert zu tanzen, wird der Tanz nicht stattfinden.

(Übers.: M. Wilczek)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/you-made-me-love-you

Anmerkungen

[1] Deutsche Übersetzung: http://www.reasonablefaith.org/german/Das-Problem-des-ubels

[2] Deutsche Übersetzung: http://www.reasonablefaith.org/german/Wie-kann-Christus-der-einzige-Weg-zu-Gott-sein

- William Lane Craig