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#136 Das innere Zeugnis des Heiligen Geistes

May 06, 2015
Q

Sehr geehrter Prof. Craig,

manchmal beunruhigt mich Ihre Aussage, dass Sie, selbst wenn alle Ihre Argumente für Gottes Existenz widerlegt würden, aufgrund des Zeugnisses des Heiligen Geistes weiter glauben würden.

Bedeutet dies, dass wenn alles Folgende:

1. Es wurde festgestellt, dass das Universum ewig ist.
2. Die Feinabstimmung ist durch ein Naturgesetz gegeben.
3. Moral war nur ein sozio-evolutionäres Instrument.
4. Es wurde festgestellt, dass die Evangelien nicht verlässlich sind, oder es wurden die Knochen von Jesus gefunden (wie der Apostel Paulus sagte, sind Christen, wenn Jesus nicht auferstanden ist, unter allen Menschen am meisten zu bedauern).

...als wahr bewiesen würde, Sie trotz der Beweise weiter Christ sein würden?

Der Grund, weshalb ich frage, ist, dass diese Aussage Ihre apologetischen Bemühungen manchmal zu untergraben scheint. Erinnern Sie sich an Christopher Hitchens, der in Ihrer Debatte darauf hinwies, oder an John Humphreys Frage, ob Sie auch dann noch Glauben hätten, wenn Lewis Wolpert Ihre Argumente widerlegt hätte?

Zuletzt und besonders entscheidend: Wenn Sie zum Glauben berechtigt sind, auch wenn die Beweise gegen Sie stehen, warum dann mit Muslimen debattieren? Könnten diese nicht einfach sagen, dass ihr Glaube an Allah sie durch den „Treibsand der Beweise“ hindurchbringen wird?

Besten Dank vorweg für Ihre Antwort.

Peter

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Dr. Craig

Dr. craig’s response


A [

Achten wir darauf, die Behauptung, die Sie mir zuschreiben, korrekt zu formulieren, Peter. Was ich behaupte ist, dass das innere Zeugnis des Heiligen Geistes den Gläubigen die Wahrheit einiger Kernwahrheiten des christlichen Glaubens bezeugt; für eine Person, die auf das Wirken des Heiligen Geistes achthat, kann dieses Zeugnis des Heiligen Geistes stärker sein in seiner Evidenz als Argumente gegen diese Kernwahrheiten[1]. Alvin Plantinga sagt, dass eine Behauptung mit einer sehr starken Rechtfertigung manchmal so stark gerechtfertigt ist, dass es trotz eines Gegenarguments immer noch rational ist, sie für wahr zu halten[2]; in dem Fall hat die Behauptung sozusagen eine "eingebaute Widerlegung" eines möglichen Widerlegungsarguments (engl. intrinsic defeater-defeater), weil sie die gegensätzlichen Behauptungen, die gegen sie vorgebracht werden, sozusagen aus eigener Kraft widerlegt.

Nun ist dies etwas wesentlich Anderes, als darüber zu spekulieren, was ich in solchen, von Ihnen beschriebenen Umständen tun würde. Ich habe angesichts der Schwachheit meiner menschlichen Natur keine Ahnung, was ich tatsächlich tun würde, aber ich weiß, was ich tun sollte. Ich sollte dem Zeugnis des Heiligen Geistes folgen. Aber es liegt mir fern, mit Petrus kühn zu erklären: „Und wenn alle zu Fall kommen – ich nicht!“ (Markus 14,29; Zürcher). Ich stelle also keine so starke Behauptung auf, wie Sie sie mir zuschreiben.

Andererseits stelle ich eine noch stärkere Behauptung auf, als Sie sie mir zuschreiben. Denn ich sollte nicht nur fortfahren, aufgrund des Zeugnisses des Heiligen Geistes zu glauben, selbst wenn alle Argumente für Seine Existenz widerlegt würden, sondern ich sollte sogar angesichts von Einwänden, die ich zum gegebenen Zeitpunkt nicht beantworten kann, weiter an Gott glauben. Die erste Behauptung ist eigentlich gar nicht sehr radikal: Ich denke, dass die meisten Theologen, von gewöhnlichen Gläubigen ganz zu schweigen, sagen würden, dass Argumente der natürlichen Theologie nicht notwendig sind, damit der Glaube an Gott rational ist. In Abwesenheit irgendeines Arguments für die Wahrheit des Atheismus kann ich vollkommen rational aufgrund des Zeugnisses des Heiligen Geistes an Gott glauben.

Was ich behaupte ist, dass wir sogar angesichts von Indizien gegen die Existenz Gottes, die wir nicht widerlegen können, dennoch aufgrund des Zeugnisses des Heiligen Geistes an Gott glauben sollten. Apostasie ist nie die rationale Pflicht eines Gläubigen, und Blasphemie gegen den Heiligen Geist auch nicht. Man kann Gott vertrauen, eine so starke Begründung für die großen Wahrheiten des Evangeliums zu liefern, dass wir nie rational dazu verpflichtet sein werden, Ihn abzulehnen oder uns von Ihm abzuwenden.

Um nun auf Ihre konkreten Szenarios einzugehen:

1. Wenn festgestellt würde, dass das Universum ewig ist, wären wir genötigt, biblische Irrtumslosigkeit aufzugeben (ebenso wie das kalām-kosmologische Argument), da die Bibel lehrt, dass das Universum vor einer begrenzten Zeit erschaffen wurde. Doch das würde natürlich nicht implizieren, dass Gott nicht existiert oder dass Jesus nicht von den Toten auferstand.

2. Wenn nachgewiesen würde, dass die Feinabstimmung das Ergebnis eines Naturgesetzes ist, müsste man das Argument für einen Designer aufgeben, das auf der Feinabstimmung des Universums beruht. Man könnte dann immer noch für Design argumentieren, wie Robin Collins es tut, und zwar auf Basis der Schönheit und Präzision der Naturgesetze, wenn auch nicht mehr auf der Basis von Werten der Naturkonstanten und Größen. Natürlich gilt auch hier, dass selbst das völlige Scheitern jedes Design-Arguments kein positiver Beweis wäre, dass Gott nicht existiert.

3. Wenn bewiesen würde, dass Moral nur ein sozio-evolutionäres Instrument war, dann wäre der Theismus falsch und dann gäbe es kein Zeugnis des Heiligen Geistes, da Gott nicht existieren würde. Denn aus dem Theismus folgt, dass objektive moralische Werte und Pflichten existieren. Wenn es sie also nicht gäbe, dann wäre der Theismus natürlich falsch. Der Schlüssel ist hier das Wort „nur“. Selbst wenn wir übereinstimmen, dass der Evolutionsprozess die Art und Weise war, wie wir moralische Werte und Pflichten kennenlernten, folgt daraus nicht, dass sie deshalb nicht objektiv real sind; sonst begeht man den genetischen Fehlschluss, bei dem man versucht, eine Auffassung dadurch zu entkräften, dass man zeigt, wie jemand zu dieser Auffassung gelangt ist. Solange ein Beweis für den Atheismus fehlt, trägt die Sichtweise, dass wir auf sozio-evolutionärem Wege zu unseren moralischen Überzeugungen gekommen sind, nichts dazu bei, ihre objektive Gültigkeit zu widerlegen.

4. Wenn die Knochen von Jesus tatsächlich gefunden würden, dann wäre die Lehre von seiner Auferstehung falsch; somit wäre das Christentum nicht wahr, und es gäbe kein Zeugnis des Heiligen Geistes. Würden also die Knochen Jesu gefunden, sollte niemand ein Christ sein. Glücklicherweise gibt es ein Zeugnis des Heiligen Geistes, und so folgt daraus logisch, dass man die Knochen von Jesus nicht finden wird.

Was Ihren Punkt betrifft, dass meine Verteidigung des Zeugnisses des Heiligen Geistes meine apologetischen Bemühungen untergräbt, habe ich keine andere Wahl, als ohne Rücksicht auf die Konsequenzen die religiöse Epistemologie zu vertreten, die ich für wahr halte. Ironischerweise habe ich in meinen Veröffentlichungen und Debatten eine robustere natürliche Theologie und soliderer Belege für das Christentum dargeboten als die meisten, die sich selbst als Evidentialisten bezeichnen. Ich finde es seltsam, dass meine Sicht, dass es darüber hinaus auch ein sich selbst authentifizierendes Zeugnis des Heiligen Geistes gibt, als etwas verstanden wird, das die von mir präsentierten Argumente und Beweise untergräbt. Ich vermute, dass man da einfach emotional auf meine Behauptungen über das Zeugnis des Heiligen Geistes reagiert, statt sich die Mühe zu machen, sich Prämisse für Prämisse im Einzelnen mit meinen Argumenten auseinanderzusetzen.

Ihre abschließende Frage habe ich in Reasonable Faith, 3. Auflage, S. 48-50 angesprochen. Natürlich kann jeder Mensch (oder zumindest jeder Theist) behaupten, ein sich selbst authentifizierendes Zeugnis Gottes für die Wahrheit seiner Religion zu haben. Aber der Grund, trotzdem noch mit Vertretern anderer Religionen zu debattieren ist, weil man annimmt, dass sie es in Wirklichkeit nicht haben: Entweder hatten sie gar keine religiöse Erfahrung, sondern nur irgendeine emotionale Erfahrung; oder aber sie hatten eine religiöse Erfahrung, haben sie aber falsch interpretiert. Also präsentiert man Argumente und Beweise zugunsten des christlichen Theismus und Einwände gegen ihre Weltanschauung in der Hoffnung, dass ihre falsche Gewissheit unter dem Gewicht des Arguments zerbrechen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen werden. (Das gleiche sollte der Atheist auch bei mir tun.) Bei der Präsentation solcher Argumente arbeiten Sie natürlich nicht gegen oder ohne den Heiligen Geist. Auch Er ist am Werk, indem Er den Herzen der Gesprächspartner die Wahrheit des Evangeliums bezeugt und Ihre liebevoll präsentierten Argumente benutzt, um die andere Person zum rettenden Glauben an Christus zu führen.

(Übers.: M. Wilczek)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/the-witness-of-the-spirit-as-an-intrinsic-defeater-defeater

Anmerkungen

[1] Eine ausführliche Behandlung des Themas "Glaube an Gott berechtigterweise basal" ("Belief in God as properly basic") und das innere Zeugnis des Heiligen Geistes findet sich in der Vortragsreihe über "Existence of God", http://www.reasonablefaith.org/defenders-2-podcast/s4, lectures 26-30 (Anm. d. Übers.)

[2] Wenn man z.B. verdächtigt wird, gestern Abend bei einem Banküberfall teilgenommen zu haben, und sogar drei Zeugen sagen, sie hätten einen gesehen, aber man selber weiß aus eigener Erinnerung, dass man gestern den ganzen Abend zu Hause war und einen Roman gelesen hat, dann ist man selber unter Umständen gerechtfertigt, seiner eigenen Erinnerung zu glauben (v.a. wenn man weiß, dass man nicht unter Gedächtnisstörungen leidet). Die drei Zeugen wären eigentlich gute und vernünftige Gegenargumente ("defeaters") gegen meine Behauptung, zu Hause gewesen zu sein. Allerdings kann man sich unter Umständen seiner eigenen Erinnerung so sicher sein, dass diese starke Rechtfertigung die Gegenargumente außer Kraft setzt. Die starke Rechtfertigung der eigenen Sicht kann in diesem Fall (zumindest für einen selbst) zu einer intrinsischen Widerlegung von möglichen Gegenargumenten führen. (Engl. "intrinsic defeater-defeater"). Für den Richter kann es trotzdem rational sein, den drei Zeugen zu glauben, da er selber ja nicht über diese starke Evidenz einer eigenen Erinnerung verfügt. (Anm. d. Übers.)

- William Lane Craig