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#130 Biblische Irrtumslosigkeit, Auferstehung Jesu, Kosmologie

May 06, 2015
Q

Hallo Herr Prof. Craig,

ich bin kein Christ, aber trotzdem ein großer Fan von Ihnen. Ich liebe Ihren klaren und prägnanten Diskussionsstil.

In den vergangenen Monaten habe ich Ihre Debatten gehört, und obwohl Sie dabei die meisten Themen schon erörtert haben, gibt es immer noch einige Fragen, die aus meiner Sicht noch nicht ganz beantwortet wurden (von niemandem), und ich dachte, ich versuche mal mein Glück, indem ich mich direkt an Sie wende.

Vorbemerkung

Etwas zu meinem Hintergrund: Obwohl ich Agnostiker bin, wünsche ich mir verzweifelt, dass Gott existiert, denn ich erkenne, dass das Leben ohne Gott in der Tat keine objektive Bedeutung hat, und außerdem erkenne ich, dass Moral ohne Gott nicht objektiv sein kann. Dieses Szenario ist sehr düster für uns, wenn es stimmt.

Biblische Irrtumslosigkeit

Nun gut, mein erstes Thema ist die biblische Irrtumslosigkeit. Für die meisten Gemeinden und Christen, die ich kenne, ist der Glaube, dass die Bibel irrtumslos ist, eine wichtige Doktrin. Aus Ihren Debatten gewinne ich den Eindruck, dass Sie die Bibel nicht für irrtumslos halten. Bitte korrigieren Sie mich, falls ich mich irre.

Sie könnten argumentieren, dass die wichtigsten Lehren davon nicht abhängen, aber für mich persönlich (und für viele andere) war das eine große Enttäuschung und eine Quelle des Zweifels, da ich aufgefordert wurde, die Irrtumslosigkeit der Bibel anzunehmen, aber dann festgestellt habe, dass sie nicht irrtumslos ist. Ich bin sicher, dass Sie mir ein gutes Argument nennen könnten, warum Gott zulassen sollte, dass sich Irrtümer einschleichen, aber gewiss erkennen Sie auch, dass Irrtümer und Widersprüche in der Bibel ein Argument für den Naturalismus darstellen, da im Rahmen eines Naturalismus solche Irrtümer zu erwarten wären. Menschliche Akteure neigen zu Fehlern, wenn sie nicht von einem vollkommenen Gott geleitet werden.

Die erste Frage lautet: Haben die biblischen Dokumente irgendetwas Besonderes oder Göttliches an sich (abgesehen davon, dass sie das von sich selbst behaupten), das man als Beleg dafür betrachten könnte, dass es sich um etwas Besonderes/von Gott Hervorgebrachtes handelt und nicht einfach um ein menschliches Machwerk? Wenn man keine Fehler in der Bibel finden könnte, wäre das z.B. ein solcher Beleg, den ich suche.

Die Auferstehung Jesu

Der Erfolg oder das Scheitern dieses Arguments hängt von unseren Grundannahmen ab. Wenn ich an Gott glaube, erscheint es vernünftig anzunehmen, dass er in der Welt handeln kann und sehr leicht Jesus von den Toten auferwecken kann. Tue ich das nicht, werde ich auf naturalistische Argumente zurückgreifen, weil ich nicht glaube, dass Wunder überhaupt möglich sind.

Die Annahme, dass Gott existiert, bietet tatsächlich die beste Erklärung für die Tatsachen[1], ist aber eine sehr schwache Erklärung, wenn man nicht sicher ist, ob Gott oder Wunder überhaupt vorkommen.

Im Wesentlichen liegt der Grund, weshalb ich einer übernatürlichen Erklärung skeptisch gegenüberstehe, also darin, dass ich einfach noch keinen direkten/positiven Beleg für Gott oder für Wunder gesehen habe. Ich kann nicht sagen, dass es eine gute Erklärung ist, weil ich nicht weiß, ob übernatürliche Dinge geschehen können. Punkt.

Ich halte Ihr Argument für die Auferstehung Jesu also nicht für ein gutes Argument; es ist eher ein unterstützendes Argument für eine bereits getroffene Annahme.

Letztlich denke ich, dass ich in Abwesenheit einer direkten spirituellen Erfahrung mit Gott oder eines Wunders (eine Erfahrung, die ich akzeptieren würde) nicht mit gutem Gewissen sagen kann, was damals mit Jesus geschehen oder nicht geschehen sein mag.

Kosmologie

Wir beobachten einige Dinge, die auf ein intelligentes Design hinzuweisen scheinen.

* Das Universum hatte einen Anfang.
* Das Universum scheint Konstanten zu haben, die notwendig sind, damit unser von Kohlenstoff abhängiges Leben existieren kann.

Wir beobachten auch einige Dinge, die auf Zufälligkeit hinzuweisen scheinen:

* Das Universum ist verschwenderisch. Es ist RIESIG und der größte Teil seines leeren Raumes ist ohne Leben.
* Selbst auf der Erde war die Entwicklung des Lebens sehr verschwenderisch. Die meisten Spezies sind ausgestorben.

Was den Anfang betrifft, räume ich ein, dass die Ursache unseres Universums offenbar etwas sein muss, das nicht an gewöhnliche physikalische Gesetze gebunden ist und irgendwie Eigenschaften aufweist, die ihm erlauben, der Notwendigkeit zu entgehen, verursacht zu sein. Dies könnte bedeuten, dass es einen Schöpfer gibt, oder vielleicht ist dies eine Lücke, die die zukünftige Wissenschaft noch schließen wird; ich weiß es nicht, ich kann das nicht erklären.

Zweitens könnten Sie argumentieren, dass die physikalischen Eigenschaften dieses Universums für Leben notwendig sind, aber sie sind nur für die Art von Leben notwendig, die wir kennen. Es ist möglich, dass unter anderen physikalischen Gegebenheiten andere Arten von Leben (und andere denkende Wesen) entstehen könnten.

Was die massive Verschwendung im Universum und in der Biologie betrifft, habe ich von Ihnen das Argument gehört, dass Gott, weil er nicht zeitlich begrenzt ist, nicht darauf bedacht wäre, effizient zu sein. Das finde ich gar nicht überzeugend. Zwar argumentieren Sie logisch konsistent, aber ich denke nicht, dass es ein sehr gutes Argument ist.

Ich bin Software-Ingenieur, und aus meiner Sicht hängt die Effizienz eines Programms mehr mit der Kompetenz des Programmierers zusammen als mit der erforderlichen Zeit. Bei fast jedem Programm gibt es redundante Codes und Defekte, die aber Fehler sind und sich einschleichen, weil wir menschlich und unvollkommen sind, nicht weil wir sie haben wollen. Unabhängig von der verfügbaren Zeit für ein Projekt werde ich versuchen, es so effizient wie möglich zu programmieren; tatsächlich wird mein Programm um so effizienter sein, je mehr Zeit mir für ein Projekt gegeben wird, weil ich dann mehr Zeit habe, die Programmierfehler auszumerzen und den Code zu optimieren. Ein vollkommener Programmierer würde unabhängig von der Zeit vollkommene und effiziente Programme schreiben.

Was könnte also die Erklärung sein? Ich sehe drei Möglichkeiten; es ist mir klar, dass alle drei metaphysisch sind.

1) Die Multiversums-Hypothese
2) Es gibt einen Schöpfer, aber dieser Designer ist nicht allmächtig, nicht vollkommen und nicht sehr effizient.
3) Gott existiert und ist vollkommen. Aber aus einem unerklärlichen Grund wählte er den ineffizienten Weg.

1 & 2 scheinen einen höheren Erklärungswert zu haben, wenn es darum geht, das Detail zusammen mit der Verschwendung zu erklären. Wenn überhaupt, scheint 2 angesichts der Evidenz am plausibelsten zu sein, oder? Ich würde gern Ihre Kommentare dazu hören.

Mike

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Dr. Craig

Dr. craig’s response


A [

Ihr Interesse an Gott freut mich sehr, Mike, denn ein offenes Herz ist die wichtigste Voraussetzung, um Glauben zu finden. Lassen Sie mich Ihre Fragen in der logischen Reihenfolge beantworten, statt in der Abfolge, in der Sie sie stellten, denn das wird Aufschluss darüber geben, warum ich sie so beantworte, wie ich es tue.

Die erste und maßgebliche Frage lautet: Gibt es einen Gott? Sie behandeln dies unter der Überschrift „Kosmologie“. In meiner Tätigkeit verteidige ich eine Reihe unterschiedlicher Argumente für Gottes Existenz, darunter das Kontingenzargument (oder das Leibnizsche kosmologische Argument), das kalām-kosmologische Argument, das teleologische Argument, das Moral-Argument und das ontologische Argument. Gemeinsam bilden diese Argumente einen starken kumulativen Beweis für Gottes Existenz.

Ihre Kommentare über das kalām-kosmologische Argument, die sich auf den Anfang des Universums beziehen, lassen mich vermuten, dass Sie dieses Argument recht gut finden. Das kalām-Argument führt uns zu einem anfanglosen, unverursachten, zeitlosen, raumlosen, änderungslosen, immateriellen, enorm mächtigen persönlichen Schöpfer des Universums. Ihr einziger Vorbehalt ist, dass die Art und Weise, wie das Universum begann, „eine Lücke [ist], die die zukünftige Wissenschaft noch schließen wird.“ Beachten Sie aber, Mike, dass dieser Vorbehalt nur in Bezug auf eine wissenschaftliche Bestätigung der Prämisse, dass das Universum angefangen hat zu existieren, angemessen ist. Er ist nicht auf die philosophischen Argumente anwendbar, die ich zur Unterstützung dieser Prämisse gegeben habe. Selbst wenn die wissenschaftliche Bestätigung sich unerwartet auflösen würde, würde dies die philosophischen Argumente für die Endlichkeit der Vergangenheit nicht beeinträchtigen. Und Sie müssen auch darauf achten, nicht am Ende in eine Art „Lückenbüßer-Naturalismus" zu verfallen, bei dem man sich ohne Rechtfertigung auf heute noch unbekannte, aber in Zukunft möglicherweise noch zu entdeckende naturalistische Erklärungen beruft, einfach um den Naturalismus nicht aufgeben zu müssen. Die Berufung auf unbekannte zukünftige Theorien als Grund dafür, eine gegenwärtig gut begründete Theorie anzuzweifeln, könnte gegen jede beliebige wissenschaftliche Theorie ins Feld geführt werden und würde somit, wenn man dies zuließe, die Wissenschaft zunichte machen. Die Prämisse wird durch die besten wissenschaftlichen Belege gestützt, die wir haben; deshalb sind diejenigen, die sie verleugnen, diejenigen, die sich den Indizien widersetzen.

Was das teleologische Argument aufgrund der Feinabstimmung des Universums betrifft, scheint Ihr einziger Vorbehalt zu sein, dass es „möglich [ist], dass unter anderen physikalischen Gegebenheiten andere Arten von Leben (und andere denkende Wesen) entstehen könnten.“ Auch hier ist Vorsicht geboten: Zur Debatte steht hier nicht, was logisch möglich ist, sondern welche Annahme aus biologischer Sicht sinnvoll ist. Wenn Wissenschaftler davon sprechen, dass das Universum so beschaffen ist, dass es Leben erlaubt, sprechen sie nicht einfach über gegenwärtige Lebensformen. Mit „Leben“ meinen Wissenschaftler die Eigenschaft von Organismen, Nahrung aufzunehmen, daraus Energie zu beziehen, zu wachsen, sich an ihre Umgebung anzupassen und sich fortzupflanzen. Alles, was diese Funktionen erfüllen kann, gilt als Leben. Und der Punkt ist: Damit so definiertes Leben – in welcher Form auch immer – existieren kann, müssen die Konstanten und Quantitäten des Universums unglaublich fein abgestimmt sein. Andernfalls ist ein völliges Desaster die Folge. Ohne Feinabstimmung würde nicht einmal Materie – nicht einmal Chemie – existieren, ganz zu schweigen von Planeten, auf denen sich Leben entwickeln könnte. In Abwesenheit einer Feinabstimmung ist es also vernünftig zu denken, dass Leben nicht existieren könnte.

Allein diese Argumente geben uns also eine gute Grundlage zu denken, dass ein Schöpfer und Designer des Universums existiert. Nun führen Sie zwei Überlegungen gegen diese Schlussfolgerung an. Erstens: „Das Universum ist verschwenderisch. Es ist RIESIG und der größte Teil seines leeren Raumes ist ohne Leben.“ Aber Mike, Sie erinnern sich, dass eine der Einsichten des Arguments der Feinabstimmung darin besteht, dass das Universum in der Tat sehr groß sein muss, da die schweren Elemente wie Kohlenstoff, aus denen unsere Körper gemacht sind, im Inneren der Sterne synthetisiert und dann durch Supernova-Explosionen im Kosmos verstreut werden. Es erfordert Milliarden Jahre, bis die Sterne einen solchen Prozess durchlaufen, und die ganze Zeit über expandiert das Universum. Die Größe des Universums ist also eine Funktion seines Alters, und das ist eine Vorbedingung für unsere eigene Existenz. Somit ist dieser ganze leere Raum überhaupt keine Verschwendung! Im Übrigen: Woher wissen Sie, dass er ohne Leben ist? Vielleicht gibt es intelligente Wesen, die irgendwo im Kosmos existieren, die ebenfalls Gottes Geschöpfe sind. Warum sich dieser Idee verschließen?

Zweitens wenden Sie ein: „Selbst auf der Erde war die Entwicklung des Lebens sehr verschwenderisch. Die meisten Spezies sind ausgestorben.“ Aber ist es denn wahr, dass das Leben verschwenderisch war? Die Bäume der Urwälder waren die Grundlage für die Öl- und Kohlevorkommen, welche die moderne Zivilisation ermöglichen. (Versuchen Sie sich vorzustellen, wie die menschliche Kultur sich ohne fossile Brennstoffe überhaupt so weit hätte entwickeln können!) Die ausgestorbenen Geschöpfe, die in diesen Zeiten existierten, waren Teil des Ökosystems, das den Planeten aufblühen ließ. Und denken Sie nicht, dass Gott, wenn Er existiert, an den Dinosauriern und anderen inzwischen ausgestorbenen herrlichen Geschöpfen Freude hatte? Ich denke, das hatte Er!

Das führt uns meiner Meinung nach zum eigentlichen Kern des Problems. Die implizite Annahme scheint zu sein, dass Gott eine so extravagante Verschwendung nicht erschaffen würde. Gott ist wie ein supereffizienter Ingenieur, der eine solche Verschwendung nicht betreiben würde.

Mike, ich schätze Ingenieure wie Sie, weil Sie so positiv auf meinen Ansatz der Apologetik reagieren! Aber Sie müssen sehr darauf achten, nicht einen Gott nach Ihrer eigenen Vorstellung zu schaffen und Ihre Werte auf Ihn zu projizieren. Wie ich zu Quentin Smith sagte, der den Effizienz-Einwand ursprünglich erhob, könnte Gott eher einem Künstler gleichen als einem Ingenieur – einem Künstler, der Freude hat an der Überschwänglichkeit Seiner Schöpfung, an weit verstreuten, unentdeckten Galaxien, an Blumen, die ungesehen auf einem entlegenen Berghang blühen, an wunderschönen Muscheln, die in den unerforschten Tiefen des Ozeans liegen. Ich sehe überhaupt keinen Grund zu denken, dass Gott eher wie ein Ingenieur als wie ein Künstler sein sollte. Effizienz ist, wie ich sagte, nur für denjenigen ein Wert, der begrenzte Ressourcen oder begrenzte Zeit oder beides hat. Gott aber hat unbegrenzte Zeit und unbegrenzte Mittel; warum also sollte Er nicht extravagant und verschwenderisch sein? Ich räume ein, dass Ihr Ingenieur seine Zeit und seine Ressourcen sorgsam einsetzen würde; aber angenommen, dass Gott nicht (nur) ein Ingenieur ist?

Ich denke daher, dass Ihre dritte Alternative „Gott existiert und ist vollkommen“ die beste Alternative ist, mit der Auflage, dass wir Gründe nennen können, warum Er ein so großes Universum oder einen Planeten mit einer so langen Vorlaufzeit für den Menschen erschaffen sollte. Aber beachten Sie auch, Mike, dass selbst Ihre anderen beiden Alternativen nicht atheistisch sind! Die Argumente, die ich bisher genannt habe, beweisen weder Gottes Allmacht noch seine Vollkommenheit und sind daher mit der zweiten Alternative vereinbar, und es gibt keinen Grund, warum Gott nicht ein Multiversum erschaffen haben könnte, die erste Alternative aus Ihrer Aufzählung. Warum also die Schlussfolgerungen ablehnen, die sich aus den kosmologischen und teleologischen Argumenten ergeben?

Darüber hinaus haben wir das Kontingenzargument, das moralische Argument und das ontologische Argument. Der Theismus scheint also in recht guter Verfassung zu sein!

Jetzt kommen wir zur Auferstehung Jesu, Ihrem zweiten Thema! Ich stimme Ihnen zu, dass angesichts des Theismus, wie er durch die vorausgegangenen Argumente begründet wird, die Auferstehung „tatsächlich die beste Erklärung für die Tatsachen“ ist. Deshalb erörtere ich in meinen Veröffentlichungen die Evidenz für die Auferstehung erst, nachdem ich zuvor für den Theismus argumentiert habe. Ich denke schon, dass die Evidenz für die Auferstehung Jesu Teil einer kumulativen Argumentation für den Theismus sein kann; aber das ist eigentlich nicht der richtige Platz dafür. Eigentlich gehört es zu den christlichen Evidenzen, nicht zur natürlichen Theologie. (Betrachten Sie in diesem Zusammenhang meine Erörterung zu Dale Allisons Essay über die Evidenz für die Auferstehung.)[2]

Beachten Sie aber: Selbst der Agnostiker muss für die Auferstehung als beste Erklärung der Evidenz offen sein. Nur wenn man solide Argumente für den Atheismus hat, ist man berechtigt, eine übernatürliche Erklärung zu verwerfen, und selbst dann wird man vielleicht – wenn die Evidenz für ein Wunder wie die Auferstehung Jesu stark genug ist – feststellen, dass sie die atheistischen Argumente übertrifft. Jedenfalls ist das alles rein hypothetisch, da Sie keine atheistischen Argumente anbieten und einige der theistischen Argumente ziemlich überzeugend finden. Sie sollten daher der Evidenz über Jesus in die Richtung folgen, in die sie weist.

Ihr dritter Punkt schließlich: biblische Irrtumslosigkeit. Wenn Sie meinem Argument gefolgt sind, sollten Sie inzwischen glauben, dass Gott existiert und Jesus von den Toten auferweckt hat, wodurch er die radikalen persönlichen Behauptungen Jesu, Gottes Sohn und der jüdische Messias zu sein, beglaubigt hat. Das sind eigentlich schon hinreichende Gründe, ein Nachfolger Jesu zu werden.

Was macht man nun mit den Briefen und Biografien, die von denjenigen verfasst wurden, die seine ersten Nachfolger waren, und inzwischen zum Neuen Testament zusammengestellt wurden? Wurden ihre menschlichen Autoren von Gott geleitet, als sie diese Werke verfassten? Sind sie inspiriert? Was folgt aus der Inspiration? Irrtumslosigkeit? Irrtumslosigkeit in Glaubensdingen und moralischen Fragen? Irrtumslosigkeit in allem, was die Autoren lehren? Ich denke, Sie können sehen, dass es sich um interne Fragen handelt, die von Christen erörtert und entschieden werden. Ganz gewiss müssen sie nicht durch jemanden geklärt werden, der gerade in Betracht zieht, ein Nachfolger Christi zu werden!

Bei der Beantwortung dieser Fragen müssen Sie sorgfältig darauf achten, dass Sie nicht mit einer vorgefertigten Meinung, was Inspiration bedeutet, an die Dokumente herantreten und diese Sicht den Texten sozusagen überstülpen; lassen Sie vielmehr die Dokumente selber sprechen und entnehmen diesen, was die Bibel selber über Inspiration lehrt. Ich stelle fest, dass viele Menschen im Wesentlichen ein muslimisches Verständnis der Inspiration haben, das einer Diktattheorie der Inspiration gleichkommt. Doch im Unterschied zur muslimischen Auffassung des Qur'an vertreten Christen keine Diktattheorie der Inspiration. Wir vertreten die Auffassung, dass die Menschlichkeit der biblischen Autoren durchscheint, obwohl der Heilige Geist sie leitete. (Lesen Sie meinen Artikel über eine Sicht des mittleren Wissen zur biblischen Inspiration.)

Ich denke, Sie gehen von ähnlichen Annahmen aus, wenn Sie fragen, ob „die biblischen Dokumente irgendetwas Besonderes oder Göttliches an sich haben (abgesehen davon, dass sie das von sich selbst behaupten), das man als Beleg dafür betrachten könnte, dass es sich um etwas Besonderes/von Gott Hervorgebrachtes handelt und nicht einfach um ein menschliches Produkt“. Das Neue Testament ist eine Sammlung meist anlassbedingter Briefe, neben einigen Biografien Jesu und einer Geschichte der ersten Kirche. Lassen Sie das Neue Testament das sein, was es selbst zu sein behauptet. Ihre Enttäuschung beruht nur auf falschen Erwartungen, die Sie angelegt haben.

Das heißt nicht, dass die Bibel nicht unfehlbar ist. Ich behaupte zwar, dass sie es ist (siehe die Fragen der Woche 10 und 11)[3]. Aber es bedeutet, dass dies eine Frage ist, die Sie nicht zu klären brauchen, bevor Sie Christ werden. Mike, Sie haben alle guten Voraussetzungen, um diesen Schritt jetzt zu tun, und die Lehre der Inspiration und der darauf beruhenden Schlussfolgerungen können Sie später noch in Ruhe studieren.

(Übers.: M. Wilczek)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/unresolved-obstacles-to-becoming-a-christian

Anmerkungen

[1] Gemeint sind die Tatsachen des Kreuzestodes Jesu, des leeren Grabes, und des Glaubens der Jünger, dass Jesus auferstanden ist. Bei diesen drei von der Bibel bezeugten Ereignissen sind sich auch die meisten bibelkritischen und skeptischen Neutestamentler einig, dass sie tatsächlich stattgefunden haben. Das Argument von W.L. Craig, Gary Habermas, Michael Licona und anderen ist, dass die beste Erklärung für diese drei (und weitere) Tatsachen diejenige ist, dass Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist.

(Anm. d. Übers.)

[2] Vgl. zum Thema auch Frage der Woche 18: "Dale Allison über die Auferstehung Jesu" (http://www.reasonablefaith.org/german/qa18) sowie Frage 416: "Ist meine Beweisführung zur Auferstehung Jesu ein Zirkelschluss?" (http://www.reasonablefaith.org/german/qa416) .

[3] In deutscher Sprache: "Die Zuverlässigkeit der Evangelien nachweisen" (http://www.reasonablefaith.org/german/qa10) und " Welche Folgen hat es, wenn man glaubt, dass es Irrtümer in der Bibel gibt?" (http://www.reasonablefaith.org/german/qa11)

(Anm. d. Übers.)

- William Lane Craig